Das richtige Glas

Zwischen Aromen und Alkohol

Das richtige Weinglas
Welches Glas ist das richtige? (Foto: DLR Rheinpfalz)

 

Von Alexander Sperk

Ein Wein, der aus einem kleinen, dickwandigen Glas getrunken wird, kann völlig  anders schmecken als derselbe Wein aus einem größeren Glas mit einer dünnen Wand. Aber warum ist das so? Und welche Arten von Gläsern sollte jeder Weinfreund im Schrank stehen haben?„Nicht jede Rebsorte braucht ein eigenes Glas“, betont Professor Ulrich Fischer, Leiter des Instituts Weinbau und Oenologie am Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz in Neustadt. Zwar gebe es etwa für Syrah, Beaujolais oder Chianti mittlerweile eigene Weingläser auf dem Markt, doch diese seien eher aus Designgründen interessant als aus Funktionalität. Dennoch ist es nicht egal, aus welchem Weinglas ein Wein getrunken wird. Zentrale Faktoren sind Form und Größe.

Das ideale Weinglas sollte nicht zu groß und nicht zu klein sein

„Das optimale Weinglas sollte nicht zu groß, aber auch nicht zu klein und bauchig sein. Außerdem sollte es eine Verjüngung nach oben haben. Die Öffnung sollte groß genug sein, dass Mund und Nase reinpassen“, skizziert Ulrich Fischer. Das ideale Fassungsvermögen gibt Anette Schormann, Mitarbeiterin am Institut für Weinbau und Oenologie am DLR, mit 300 bis 500 Millilitern an. Der Wein sollte sich einerseits nicht im Glas verlieren, andererseits soll aber auch Platz zum Schwenken sein. Entscheidend für die Frage, welcher Wein in welches Glas gehört, sind für Ulrich Fischer die Faktoren Oberfläche und Alkohol:  „Ist die Oberfläche des Weins im Glas bei einem alkoholreichen Wein zu groß, betäubt der Alkohol die Nase. Andererseits werden bei einer größeren Oberfläche auch mehr Aromastoffe freigesetzt.“ Die Wand des Glases sollte nicht zu dick sein, weil sich das beim Trinken unangenehm anfühlt und zudem die Temperatur des Weins beeinflusst.

Eine untergeordnete Rolle bei der Glaswahl spielt für Oenologie-Professor Fischer die Farbe des Weins: „Untersuchungen auch bei uns im Haus haben gezeigt, dass bei Rot- und Weißweinen die gleichen Aromastoffe wirken. Auch der Alkoholgehalt variiert nicht mehr so gravierend, sodass eigentlich eine saubere Begründung dafür fehlt, warum man für Rot- und Weißwein unterschiedliche Gläser haben sollte.“

Weinfreunden empfehlen die beiden DLR-Experten vier verschiedene Gläser: ein eher schlankes, dafür aber großes Bordeaux-Glas für alkoholreiche Rot- und Weißweine, ein bauchiges Burgunderglas für Burgunder und ältere Weine, ein kleineres Glas für junge und einfache Weiß- und Rotweine sowie ein Sektglas. Dieses sollte sich nach oben verjüngen und einen Moussierpunkt haben, an dem sich das im Schaumwein gelöste Kohlendioxid zu einer Blase entwickeln und aufperlen – moussieren – kann.   Von Sektschalen und „Tulpen“ raten die Experten daher ab. Dagegen sei gegen ein gutes Universalglas nichts einzuwenden: „Für die allermeisten Weine sind Sie damit gut gewappnet“, sagt Ulrich Fischer.

Weinkulturelle Unterschiede beim Glas

Weingläser gibt es zwar schon seit der Antike, doch sie waren über Jahrhunderte zylindrig, ohne sich nach oben zu verjüngen.  Der Wendepunkt bei der Form der Gläser sei erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts gekommen, als das Riechen einen höheren Stellenwert erhalten habe und sich speziell die Rotweinkultur in Deutschland mit reifen Weinen und Barriquelagerung stark entwickelt hat. Einen ähnlich hohen Stellenwert wie bei uns hat das Glas allerdings nicht in allen Weinbauländern. So sieht man in Frankreich  beispielsweise recht einfache und wenig funktionelle Gläser. „Da gibt es durchaus weinkulturelle Unterschiede, vielleicht weil Franzosen ihren Wein fast ausschließlich zum Essen trinken, wo eher der Geschmack als der Geruch im Vordergrund steht“, bestätigt Ulrich Fischer.

Dies ist die gekürzte Version eines Artikels, der im November 2017 in der RHEINPFALZ erschienen ist.