Lagerfähigkeit von Wein

Was lange liegt, wird nicht immer gut

Liegen lassen oder trinken? Diese Frage ist nicht immer einfach zu beantworten.
Wie lange sich ein Wein lagern lässt, hängt von vielen Faktoren ab. (Foto: Dieter Schütz / pixelio.de)

Von Alexander Sperk

Nicht jeder Wein wird mit dem Alter besser. Viele Weine werden heutzutage so abgefüllt, dass sie schnell ihre Trinkreife erreichen. Doch extraktreiche Tropfen mit vielen Inhaltsstoffen  haben tatsächlich ein hohes Alterungspotenzial. Gleiches gilt für Weine mit einem hohen Zuckergehalt. Aber auch sie müssen richtig aufbewahrt werden. Und nicht zuletzt ist es eine Geschmacksfrage, ob jemand einen gereiften einem jungen Riesling vorzieht.

„Meinen Studenten sage ich immer, man muss bei der Lagerfähigkeit von Wein zwischen intrinsischen und extrinsischen Faktoren unterscheiden“, erzählt Dominik Durner, Oenologieprofessor am Neustadter Weincampus. Während es bei den ersteren um den Wein selbst geht, steht bei den zweiteren die richtige Lagerung im Fokus. „Ob ein Wein überhaupt lange lagerfähig ist, darüber entscheiden die in ihm gelösten Inhaltsstoffe im Gesamten. Ein lagerfähiger Wein muss viel Extrakt besitzen“, skizziert Durner. Dafür sorgen bei Weißweinen beispielsweise der Zucker oder die Säure, bei Rotweinen sind es vor allem die phenolischen Inhaltsstoffe wie die Tannine und die Pflanzenfarbstoffe (Anthocyane). Stark zuckerhaltige, edelsüße Weine wie Auslesen, Beerenauslesen oder Trockenbeerenauslesen   etwa lassen sich 20 Jahre und länger lagern. Ein Effekt, der beispielsweise auch von Marmelade bekannt ist. Auch sehr trockene Weine ohne Restzucker und mit hohem Säuregehalt können lange liegen. Bei diesen wirkt der säurebedingt niedrige pH-Wert als Katalysator für gewisse Alterungsprozesse. Allerdings verändert sich mit dem Alter das Aromabild des Weins stark: Bei jungen Weißweinen beispielsweise bestimmen vor allem die sogenannten Ester das Geschmacksbild, die bei der Gärung entstehen. Sie werden häufig mit fruchtigen Aromen wie Banane oder Apfel assoziiert.    Diese werden im Laufe der Zeit jedoch abgebaut. Dann kommen andere Aromastoffe zum Tragen. „Aber die müssen auch da sein“, verdeutlicht Dominik Durner und verweist auf traubeneigene Aromen, die im Wein an Zitrusfrüchte, Maracuja oder Stachelbeeren erinnern können.

Überhaupt spielt die Rebsorte bei der Frage  nach der Lagerfähigkeit eine wichtige Rolle. Eine  Riesling-Spätlese lasse sich beispielsweise über viele Jahre lagern, da der Anteil der rebsorteneigenen Aromastoffe im Wein sehr hoch sei, erläutert Durner. Dagegen sind die Aromen in einem fruchtig ausgebauten Sauvignon Blanc umso intensiver und besser, je jünger die Weine sind.

Für die Lagerfähigkeit von Rotweinen ist der Phenolgehalt entscheidend. Dabei geht es nicht nur um die Tannine – das sind Gerbstoffe, die in Schalen, Kernen und dem Stielgerüst der Trauben vorkommen –, sondern  auch um Anthocyane. „Tannine und Anthocyane sollten in einem idealen Verhältnis zueinander stehen, weil diese Stoffe während der Lagerung reagieren“, erklärt der Oenologieprofessor. Daher seien beispielsweise viele Trollinger mit viel Tannin und wenig Anthocyan nicht so lange lagerfähig wie etwa Cabernet Sauvignon.

Hohes Alterungspotenzial  bescheinigt Dominik Durner auch dem Spätburgunder, dem Syrah oder dem Tempranillo, wobei der Ausbau eine große Rolle spielt: „Es gibt recht viele  Schräubchen, an denen der Kellermeister drehen kann“, sagt Dominik Durner.

Doch selbst der lagerfähigste Wein macht keine Freude mehr, wenn er falsch aufbewahrt wird.  Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle:

Temperatur

„Hohe Temperaturen beschleunigen die Weinalterungsprozesse. Gemäß der RGT-Regel verdoppelt sich die Reaktionsgeschwindigkeit bei einer Temperaturerhöhung von zehn Grad. Temperaturen von 20 Grad oder mehr sollten auf jeden Fall vermieden werden, eine Lagertemperatur von zehn bis 15 Grad gilt als ideal – für Rot- und für Weißweine“, fasst Dominik Durner zusammen.

Temperaturschwankungen

Fast noch schlimmer für den Wein als zu hohe Temperaturen sind Temperaturwechsel. „Die Flüssigkeit dehnt sich bei Wärme aus und zieht sich bei Kälte wieder zusammen. Das wirkt wie eine Pumpe, die Stoffe aus dem Wein heraus und andere aus der Umgebungsluft in die Flasche befördert“, erläutert Dominik Durner. Kein Verschluss sei so gasdicht, dass er diesen Austausch verhindere, ergänzt der Experte.

Licht

Licht schadet den Aromastoffen im Wein, daher sollte er möglichst dunkel gelagert werden.

Erschütterungen

Weine, die regelmäßigen Erschütterungen ausgesetzt sind, altern schneller, da  Reaktionen beschleunigt werden.

Luftfeuchtigkeit

Ideal ist eine hohe Luftfeuchtigkeit, da sie den Korken feucht hält. Bei mehr als 80 Prozent Luftfeuchtigkeit bestehe jedoch die Gefahr, dass sich Schimmel am Korken  bilde und den Wein verderbe, erklärt der Neustadter Oenologieprofessor, der einen Wert um 75 Prozent empfiehlt.

Das ist die gekürzte Fassung eines Artikels, der im Januar 2017 in der RHEINPFALZ erschienen ist. Den Text in voller Länge gibt es unter http://www.rheinpfalz.de/artikel/was-lange-liegt-wird-nicht-immer-gut/