Wein und Schwefel

Ungeliebter Stabilisator

Ein Fass wird geschwefelt.
Im Labor wird versuchsweise eine Schwefeltablette in einem Fass abgebrannt. Foto: DLR Rheinpfalz

Von Alexander Sperk

„Enthält Sulfite“ – dieser Hinweis findet sich seit 2006 auf den Etiketten nahezu aller Weinflaschen. Doch warum wird Wein geschwefelt? Und gibt es überhaupt schwefelfreien Wein?„Bereits seit der Antike wird Schwefel eingesetzt, um Wein zu konservieren“, erläutert Professor Ulrich Fischer, Leiter des Instituts für Weinbau und Oenologie am Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz in Neustadt. Dabei handelt es sich aber keineswegs um elementaren Schwefel, sondern um schweflige Säure oder Schwefeldioxid (SO2).Früher wurde Schwefel in den leeren Fässern zu Schwefeldioxid  verbrannt oder die Fässer wurden mit Schwefelgas gefüllt. Heutzutage wird dem Most oder dem Wein Kaliumdisulfit, verflüssigtes Schwefeldioxid oder Natriumsulfit zugesetzt. Dabei geht es um die antimikrobielle und antioxidative Wirkung des SO2: „Durch das Schwefeln werden Mikroorganismen  gehemmt. Gleiches gilt für Enzyme, die die Oxidation fördern. Der Wein wird somit stabil gehalten“, erklärt Ulrich Fischer. Außerdem bindet der Schwefel Acetaldehyd. Dieser Stoff entsteht bei der Gärung und ist für einen unerwünschten Alterungston im Wein verantwortlich.

Höhere Grenzwerte bei Weißweinen

Rotweine enthalten Phenole, die Acetaldehyd binden. Daher werden ihnen weniger   Sulfite zugesetzt als Weißweinen. Außerdem durchlaufen sie eine zweite Gärung, die sogenannte Milchsäuregärung (Biologischer Säureabbau), bei der auch Acetaldehyd abgebaut wird. Dies ist bei Weißweinen eher die Ausnahme. Entsprechend gelten für Weißweine höhere Grenzwerte für Sulfite. Für einen Weißwein mit einem Restzuckergehalt von weniger als fünf Gramm liegt die Höchstgrenze beispielsweise bei 200 Milligramm SO2 pro Liter, für einen Rotwein bei 150 Milligramm. „Den Winzern macht es keine Probleme, diese Werte deutlich zu unterschreiten. Nur in Jahren mit ausgeprägter Fäulnis kann es passieren, dass wir in die Nähe der Grenzwerte kommen“, sagt Ulrich Fischer.

Gesundheitlich bedenklich seien solche Mengen nur für Menschen, bei denen Schwefeldioxid allergische Reaktionen hervorrufe. Dieser  sehr kleine Personenkreis müsse in der Regel nicht nur auf den Weinkonsum verzichten, sondern auch den Genuss von Trockenfrüchten meiden. „Wenn Sie 120 Gramm Rosinen essen, können Sie mehr SO2 zu sich nehmen als wenn Sie eine ganze Flasche Rotwein trinken. Die Substanz, die wir beim Weinkonsum im Auge behalten müssen, ist der Alkohol und nicht der Schwefel“, betont der Experte.

Jeder Wein enthält Schwefel

Dennoch sind die Winzer bestrebt, den SO2-Gehalt im Wein so gering wie möglich zu halten. „Das ist uns in den vergangenen zehn bis 20 Jahren auch schon gut gelungen, vor allem durch gesunde Trauben und moderne Abfülltechnik. Um Schwefel weiter zu reduzieren, müsste sich die Weinstilistik grundlegend ändern“, sagt Ulrich Fischer.

So benötigen Orange- oder Naturweine dank der Maischevergärung weißer Trauben nur einen geringen oder gar keinen Zusatz von SO2. „Das müssen  dann aber Weine ohne Restsüße und mit Biologischem Säureabbau sein, so dass schädlichen Mikroorganismen keine Energiequellen mehr im Wein geboten werden, was auch ohne SO2-Zusatz ihr Wachstum sicher verhindert. Eine Rebsorten- oder Terroirprägung sucht man zwar vergebens, aber als Essensbegleiter sind diese Weine durchaus reizvoll“, berichtet der Professor.  Allerdings gibt er auch zu bedenken: „Die Diskussion um niedrigere Schwefelgehalte fördert letztlich Weine, die eher jung getrunken werden müssen, da das SO2 die Weine auf der Flasche vor Oxidation schützt und länger frisch hält.“

Komplett schwefelfreien Wein gibt es allerdings nicht: Da Hefen bei der Gärung selbst schweflige Säure bilden, liegt SO2 in allen Weinen in geringer Konzentration vor.

Die Langfassung dieses Artikels ist im Juni 2017 in der RHEINPFALZ erschienen.